Was sollten Sie wissen, bevor Sie finanzielle Hilfe beantragen?
Finanzielle Hilfen können das durch sexuellen Missbrauch zugefügte Leid nicht rückgängig machen. Um mit den Folgen besser zurechtzukommen, benötigen viele Betroffene oft über eine lange Zeit psychologische und medizinische Unterstützung.
Finanzielle Hilfen können das durch sexuellen Missbrauch zugefügte Leid nicht rückgängig machen. Um mit den Folgen besser zurechtzukommen, benötigen viele Betroffene oft über eine lange Zeit psychologische und medizinische Unterstützung.
Die hier vorgestellten finanziellen Hilfen können einen Teil dazu beitragen, diese Kosten zu decken, um nach einem sexuellen Missbrauch zu einem besseren Leben zurückzufinden. Doch der Weg zu den finanziellen Hilfen kann viel Zeit und Kraft kosten. Um Entschädigungsansprüche durchzusetzen, sind viele Voraussetzungen bei Gerichten und Verwaltung zu erfüllen. Darauf sollten Sie sich einstellen und sich Unterstützung holen. Wenn Sie sich entscheiden, finanzielle Hilfeleistungen zu beantragen, empfehlen wir Ihnen unbedingt, sich von kompetenten Fachberatungsstellen beraten zu lassen. Eine Auswahl an Beratungsstellen finden Sie in der Rubrik "Hilfe finden".
Welche Leistungen bietet das Opferentschädigungsrecht?
Wer in seiner Kindheit oder Jugend sexuellen Missbrauch erleiden musste, kann unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Entschädigung haben. Dafür gibt es das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, kurz OEG.
Wer in seiner Kindheit oder Jugend sexuellen Missbrauch erleiden musste, kann unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Entschädigung haben. Dafür gibt es das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, kurz OEG.
Staatliche finanzielle Unterstützung für Opfer sexuellen Missbrauchs nach dem OEG stehen Ihnen zu, wenn Ihre Gesundheit beeinträchtigt ist und Ihnen hierdurch Kosten entstehen, zum Beispiel für Therapien, für Fahrten zur medizinischen Betreuung oder für Hilfsmittel. Welche Möglichkeiten der Entschädigung Opfer sexueller Gewalt beanspruchen können, ist gesetzlich geregelt und hängt maßgeblich davon ab, wie schwer und langfristig die gesundheitlichen Schäden sind. Zu den möglichen Leistungen zählen zum Beispiel:
- Heil- und Krankenbehandlungen – dazu zählt auch Psychotherapie;
- Rentenleistungen, abhängig von der Schwere der Folgen und vom Einkommen;
- Fürsorgeleistungen, zum Beispiel zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Pflege, zur Weiterführung des Haushalts sowie ergänzend zum Lebensunterhalt;
- Rehabilitationsmaßnahmen, zum Beispiel Kuraufenthalte.
Um finanzielle Hilfe erhalten zu können, müssen Sie einen Antrag stellen. Hierbei kann eine Beratungsstelle Sie unterstützen. Auch Anwält:innen können Ihnen dabei helfen. Der Antragsprozess kann eine längere Zeit in Anspruch nehmen und als belastend erfahren werden. Mehr Informationen zu den Leistungen, Voraussetzungen und zur Antragstellung erfahren Sie auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Wann können Sie eine Erwerbsminderungsrente erhalten?
Neben dem Anspruch auf Rentenleistungen nach dem Opferentschädigungsrecht können Sie als Missbrauchsopfer von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend auch einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente haben.
Neben dem Anspruch auf Rentenleistungen nach dem Opferentschädigungsrecht können Sie als Missbrauchsopfer von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend auch einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente haben.
Beispielsweise wenn Sie gesundheitlich eingeschränkt und deshalb nicht mehr in der Lage sind, Ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Zu den gesundheitlichen Einschränkungen zählen auch Beeinträchtigungen, die jemand wegen Gewalttaten wie sexuellen Missbrauchs erleidet. Ob ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung besteht, hängt davon ab, wie sehr das Leistungsvermögen der versicherten Person beeinträchtigt ist. Wenn man das Rentenalter erreicht, wird aus der Erwerbsminderungsrente eine reguläre Rente.
Gut zu wissen: Der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bzw. Regelaltersrente und der Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem OEG schließen sich nicht aus. Die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung muss aber als Einkommen bei der Berechnung der Höhe der Beschädigtenrente berücksichtigt werden.
So können Sie vorgehen
Um die Erwerbsminderungsrente zu erhalten, müssen Sie einen Antrag stellen. Am besten lassen Sie sich vorher beraten. Hierfür können Sie sich für Unterstützung an Beratungsstellen oder Anwält:innen wenden. Auch die Deutsche Rentenversicherung bietet über ihre Website Beratungen an. Die Antragsformulare finden Sie online bei der Deutschen Rentenversicherung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales informiert Sie online in einer Broschüre über die „Erwerbsminderungsrente“.
Wann springt die gesetzliche Unfallversicherung ein?
Die gesetzliche Unfallversicherung soll Menschen vor Unfällen und Gesundheitsgefahren bei der Arbeit oder bei einem Ehrenamt schützen.
Die gesetzliche Unfallversicherung soll Menschen vor Unfällen und Gesundheitsgefahren bei der Arbeit oder bei einem Ehrenamt schützen.
Falls jemandem während dieser Tätigkeiten etwas passiert, trägt sie die Aufgabe, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten wiederherzustellen. Die Unfallversicherung schützt auch Kinder und Jugendliche in Krippen, Kindergärten, in der Kindertagespflege oder in Schulen. Dazu zählt, sexuelle Gewalt in diesen Einrichtungen zu verhindern – zum Beispiel durch die Qualifizierung von Personal. Kommt es dennoch zu einem Übergriff, haben Betroffene einen Anspruch auf Entschädigung.
Einen solchen Vorfall meldet die Einrichtungsleitung an die gesetzliche Unfallversicherung. Sobald die gesetzliche Unfallversicherung informiert ist, wird sie „von Amts wegen“ tätig. Das bedeutet, dass Betroffene in der Regel keinen gesonderten Antrag stellen müssen. Zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gehören:
- medizinische Versorgung,
- berufliche und soziale Teilhabe (zum Beispiel Wohnungshilfe, Haushaltshilfe, Kinderbetreuungskosten),
- Geldleistungen und andere Entschädigungen,
- Pflege.
Sie wollen erfahren, ob Sie Anspruch auf die Leistungen haben? Dann kontaktieren Sie die gesetzlichen Unfallversicherung.
Wie unterstützt das Ergänzende Hilfesystem?
Das Ergänzende Hilfesystem besteht aus dem Fonds Sexueller Missbrauch und dem Ergänzenden Hilfesystem im institutionellen Bereich.
Das Ergänzende Hilfesystem besteht aus dem Fonds Sexueller Missbrauch und dem Ergänzenden Hilfesystem im institutionellen Bereich.
Fonds Sexueller Missbrauch
Der Fonds Sexueller Missbrauch, kurz FSM, will Betroffenen helfen, die als Kinder oder Jugendliche in ihrer Familie sexuell missbraucht wurden. Dazu gehören Übergriffe durch Familienmitglieder selbst, aber auch im nahen sozialen Umfeld. Das kann zum Beispiel der Lebensgefährte der Mutter oder die Babysitterin aus der Nachbarschaft sein.
Der Fonds greift auf Antrag, wenn kein Anspruch auf Leistung aus dem bestehenden Hilfesystem vorliegt, diese Leistungen schon ausgeschöpft sind, nicht ausreichen oder abgelehnt wurden. Zu den bestehenden Hilfesystemen zählen zum Beispiel die gesetzliche und private Kranken- oder Unfallversicherung.
Der jeweilige Ablehnungsbescheid muss dem Antrag beigelegt werden. Der Fonds greift auch, wenn ein Antrag zum Beispiel auf Entschädigung nach dem OEG für Betroffene zu belastend ist.
Informieren Sie sich!
Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des Fonds Sexueller Missbrauch. Der Fonds bietet unter 0800 400 10 50 auch ein kostenfreies Infotelefon an.
Welche Leistungen unterstützt der Fonds?
Je Person kann der Fonds mit Leistungen von maximal 10.000 Euro unterstützen. Für behinderungsbedingten Mehraufwand, der entsteht, um die finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen zu können, zum Beispiel die Begleitung zur Therapie, gibt es zusätzlich bis zu 5.000 Euro. Das Geld kann für folgende Hilfen verwendet werden:
Psychotherapie
- Fortführung einer Psychotherapie nach Beendigung der Finanzierung durch die Krankenversicherung
- Vor- oder Überbrückungsfinanzierung zu Beginn einer Psychotherapie
- Kostenübernahme für Psychotherapien, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden
Anerkannte Fachtherapien und individuelle Aufarbeitung
- Kostenübernahme für anerkannte Fachtherapien wie zum Beispiel für Bewegungs-, Musik-, Ergo-, Kunst- und Tiertherapien, sowie für die individuelle Aufarbeitung des Erlebten, zum Beispiel Fahrtkosten zu therapeutischen Sitzungen oder bei der Nutzung von Selbsthilfeangeboten
Beschaffung von Heil- und Hilfsmitteln
- Kostenübernahme für medizinische Dienstleistungen wie Physiotherapie, Ergotherapie, Bäder, Massagen, Logopädie und für sachliche medizinische Leistungen wie Rollstühle, Prothesen, Hörgeräte, sofern die Kosten nicht durch die Krankenkasse übernommen werden
Umgang mit Behörden oder Gerichten
- Kostenübernahme zum Beispiel für eine begleitende Assistenz oder eine individuelle Unterstützung, sofern die Kosten nicht durch andere Stellen abgedeckt werden
Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen
- Kostenübernahme für das Nachholen von Schulabschlüssen, die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums sowie für Umschulungen
Fahrten zu den Beratungsstellen
- Kostenübernahme für Fahrten zu den Beratungsstellen, auch für eine mögliche Begleitperson. Die Fahrtkosten werden auf die Gesamtsumme von bis zu 10.000 Euro angerechnet, beziehungsweise 15.000 Euro, wenn durch eine Behinderung ein finanzieller Mehraufwand entsteht.
Verbesserung der Mobilität oder der Wohnsituation
- Hilfe zur Verbesserung der Mobilität oder der Wohnsituation als Unterstützung über die regulären Leistungen hinaus für besondere Härtefälle
Ergänzendes Hilfesystem im institutionellen Bereich
Auch Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend in einer Institution sexuelle Gewalt erleiden mussten, können in bestimmten Fällen finanzielle Hilfe beantragen. Sofern sich die Institution am Ergänzenden Hilfesystem beteiligt, können Betroffene über den Fonds Sexueller Missbrauch einen Antrag stellen. Der Fonds leitet ihn an die jeweilige Institution weiter. Auf der Webseite des Fonds Sexueller Missbrauch finden Sie weitere Informationen zur Antragstellung, zu Antragsfristen, eine aktuelle Übersicht zu den beteiligten Institutionen sowie weitere Informationen zum Ergänzenden Hilfesystem und zum Fonds Sexueller Missbrauch.
Welche Entschädigungen leistet die Kirche?
Die evangelische und katholische Kirche haben unterschiedliche Modelle zur Entschädigung für Betroffene von Kindesmissbrauch in Deutschland.
Die evangelische und katholische Kirche haben unterschiedliche Modelle zur Entschädigung für Betroffene von Kindesmissbrauch in Deutschland.
Katholische Kirche
Die katholische Kirche hat sich auf ein Verfahren verständigt zur „Anerkennung des Leids“ für Betroffene, die sexuelle Gewalt im Kontext der katholischen Kirche erfahren haben. Zur Entschädigung sieht das Verfahren nicht zweckgebundene Auszahlungen zwischen 1.000 und 50.000 Euro vor. Zudem übernimmt die katholische Kirche die Kosten für Therapie und Paarberatung. Auch wenn die Taten bereits verjährt sind, leistet sie Entschädigungszahlungen. Sie wollen sich weiter informieren oder einen Antrag stellen? Dann finden Sie auf der Webseite der katholischen Kirche weitere Informationen sowie das Antragsformular. Außerdem beteiligt sich die katholische Kirche über die Deutsche Bischofskonferenz am Ergänzenden Hilfesystem.
Evangelische Kirche
Die evangelische Kirche beteiligt sich am Ergänzenden Hilfesystem. Außerdem wurden in den einzelnen Landeskirchen sogenannte Unabhängige Kommissionen eingerichtet. Sie entscheiden im Einzelfall über finanzielle Hilfen, wie etwa die Übernahme von Therapiekosten oder sogenannte Anerkennungsleistungen. Das konkrete Vorgehen regeln die jeweiligen Landeskirchen. Weitere Informationen erhalten Sie über die zentrale Anlaufstelle "help".
Welche finanzielle Hilfe gibt es in den Bundesländern?
In vielen Bundesländern können Betroffene von Straftaten finanzielle Unterstützung von Stiftungen oder Einrichtungen der Opferhilfe erhalten.
In vielen Bundesländern können Betroffene von Straftaten finanzielle Unterstützung von Stiftungen oder Einrichtungen der Opferhilfe erhalten.
Eine Auswahl der Angebote finden Sie in der Rubrik „Hilfe finden“.
Weiterführende Informationen
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Rufen Sie an – auch im Zweifelsfall
Sprechen Sie mit den Berater:innen beim Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch. Ihr Anruf ist anonym und kostenfrei.
Telefonzeiten:
Mo., Mi., Fr.: 9.00 bis 14.00 Uhr
Di., Do.: 15.00 bis 20.00 Uhr
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